Anatomie eines Bildes

Dieses Bild zu meiner Valentinstagsverlosung 2020 meines Buches „Zwiegespräche mit einem Schafsbock„, wer hätte es gedacht, ist komplett am PC entstanden. Es enthält keinerlei fotografierte Bestandteile. Naja fast, das Bild auf dem Buchcover ist ein Foto, aber ansonsten wurde alles in der 3D-Grafik Software Blender (Version 2.81) erstellt und komponiert.
In diesem Artikel möchte ich euch zeigen wie. Ich versuche das ganze nachvollziehbar zu beschreiben, so dass auch jemand, der noch nie mit 3D Software gearbeitet hat, einigermaßen folgen kann. Wenn was dennoch nicht klar wird, einfach in den Kommentaren nachfragen.

Das Bild besteht aus 4 Komponenten: Dem Buch selber, den leuchtenden Herzen, der Wolke sowie Glitzer. Der Hintergrund ist auf reines schwarz gesetzt. Dazu kommen auf der „technischen Seite“ noch diverse Lampen und die Kamera beziehungsweise genauer gesagt die Positionierung dieser sowie die Nachbearbeitung um ein spannendes Bild zu gestalten und die „Message“ rüberzubringen.
Ehrlich gesagt, bin ich mit dem Ergebnis auch richtig zufrieden, mit Ausnahme der Wolke, diese habe ich einfach nicht so hinbekommen, wie ich sie mir in meiner Fantasie ausgemalt hatte.

Die Gesamtansicht in Blender. Das helle Quadrat, dass über einem Teil des Bildes liegt zeigt den am Schluss tatsächlich berechneten Bildauschnitt.

Das Buch

Das Buchmodell ist recht einfach aufgebaut: Ein Quader, bei dem die Teile, die die Buchseiten darstellen sollen, ganz leicht nach innen verschoben / skaliert sind.
Um das Buchcover richtig auf die einzelnen Seiten des Quaders zu verteilen, wurde der Quader „entfaltet“ also per UV unwrapping von einem 3 dimensionalen Körper in ein 2 dimensionales Netz umgewandelt. So wir das alle auch mal in der Schule am Beispiel eines Würfels gelernt haben – Wir stellen uns vor, eine Kante des Würfels aufzutrennen und dann die einzelnen Seitenteile auseinanderzufalten. Auf dieses Netz wurde dann die passende Textur also das Bild mit Vorderseite, Buchrücken und Rückseite von „Zwiegespräche mit einem Schafsbock plaziert.
Die gleiche Datei, die auch die Druckerei für den Druck des Buchumschlages erhalten hat.

Die Buchseiten wurden mittels einer prozedualen Textur erzeugt. Das bedeutet, diese Textur wurde rein mathematisch erzeugt. Sie besteht aus der sogenannten „Wave“ Textur von Blender, mit der Wellen- oder Ringförmige Linien erzeugt werden können. Diese Grundtextur wurde dann noch in der Größe und Ausrichtung angepasst.

Bei Blender werden die Texturen bzw. Materialen über Nodes (Knoten) erzeugt. Jeder Node beeinflusst dabei bestimmte Aspekte des Materials, durch die Verknüpfung der einzenen Nodes ensteht dann das Endprodukt. Es gibt bsp. Nodes die die Farbe und Muster erzeugen bzw. beeinflussen oder welche, die die Stuktur des Materias verändern (also bsp. ob man hindurchsehen kann, ob die Oberfläche samtig ist etc.).


In diesem Fall wird durch den Mapping-Node unter Scale die Laufrichtung der Linien definiert, im Wave-Node wird durch Scale die Dicke und somit auch die Anzahl der Linien definiert (Auf die gleiche Fläche passen mehr dünne Linien als dicke Linien. Der Color-Ramp-Node bestimmt schließlich die Linienfarbe und die Hintergrundfarbe bzw. die Farbe zwischen den Linien, sowie wie hart der Übergang zwischen den beiden Farben jeweils ist. Der Principled-BDSF-Shader macht aus dem Linienmuster das Papier-Material.

Die leuchtenden Herzen

Die waren der Ausgangspunkt dafür, dass ich das komplette Bild in Blender gemacht habe und nicht einfach eine Fotomontage oder so. Bei der Suche nach einem passenden Hintergrund für mein Buch bin ich über ein Bild bei Unsplash.com gestolpert, bei dem es direkt Klick in meinem Kopf gemacht hat. Gleichzeitig hatte ich „Tunnel of Love“ von Wanda Jackson im Ohr, kennt man heute vor allem aus den Soundtrack diverser Filme und Serien. Ja, ich weiß, es heißt „Funnel of Love“ – aber wenn man eine Tunnelröhre entlang schaut, wird diese optisch auch zum Trichter ;). Jedenfalls wollte ich diesen Effekt von in der Unendlichkeit verschwindenden Herzen.

Das Herz selber habe ich mittels einer importierer Vektor-Grafik (.svg) modeliert. Jeder von euch, der schonmal eine Grafik in Blender impotiert hat und anschließend die Kurve(n) in ein Mesh umgewandelt hat, weiß, dass die einzelnen Verticies bzw. Faces danach völlig fürchterlich und ungleichmäßig verteilt sind.
Einschub für alle, die nicht mit Blender arbeiten: Kurvenobjekte werden mathematisch definiert und über verschieben der Kurvenpunkte sowie „verdrehen“ ihrer Vektoren bearbeitet, während Mesh-Objekte nur über ihre Knotenpunkte und gerade Verbindungen dazwischen erzeugt werden. Damit die verschiedenen Modifikationswerkzeuge der Software korrekt arbeiten können werden Flächen mit 4 Eckpunkten (oder 3 Eckpunkten, die Unterschiede und Einschränkungen in der Bearbeitung sprengt hier komplett den Rahmen) benötigt.
Blender bringt ein Werkzeug mit, um solche ungleichmäßigen Meshes in gleichmäßige Meshes umzuwandeln, das funktioniert aber nicht immer gut und zudem werden dadurch unzählige Verticies erzeugt, da versucht wird, die Form möglichst mit Quadratischen Flächen nachzubauen.
Daher war mein Ansatz ein anderer: Ich habe nur den Außenumriss des ursprünglichen erzeugten Herz-Meshes genutzt und diesen mittels der Kombination von Extrude – Scale nach innen erweitert wobei ich die Z-Achse gesperrt habe, so dass nur auf einer Ebene gearbeitet wurde. Das verbleibende Loch in der Mitte habe ich dann mit der Fill Funktion ausgefüllt – das ist also die einzige Fläche, die nicht 4 Eckpunkte hat. Bei Aus Text erzeugten Meshes habe ich das noch nicht ausprobiert, hoffe aber, dass das ähnlich gut funktioniert, würde in einigen Szenarien das Leben deutlich vereinfachen. Danach mußte ich die Fläche nur noch in die entsprechende Höhe (Z-Achse) extrudieren und etwas Rundungen etc. modelieren.

Die Herz-Röhre zu erzeugen war dann die nächste Herausforderung. Blender bringt den wunderbaren Array-Modifier mit, mittels welchem man ein Objekt vervielfachen kann – mit definiertem Abstand entlang einer Achse oder auch einer Kurve. Allerdings muss man für einen Kreis aus Objekten etwas in die Trickkiste greifen. Ich habe mit 2 Empty Objekten (Hilfsobjekte die nicht im Bild auftauchen) gearbeitet um den Mittelpunkt zu definieren um den die Objekte gedreht werden und um den Versatz der kopierten Objekte zu bestimmen. Das Objekt-Empty wurde dabei an das Mittelpunkt-Empty geparentet – das bedeutet, es wurde als abhängig vom Mittelpunkt-Empty definiert. Dadurch übernimmt es bsp. eine Drehung des Mittelpunkt-Emptys.
Das Objekt-Empty wiederum wurde als Offset Parameter für die Vervielfältigung eingestellt. Das Bedeutet jede Kopie des Objektes wird um die Abweichung in x, y, z Richtung sowie die Drehung des Emptys versetzt erstellt. Wäre das Empty beispielsweise um 1 in x Richtung verschoben, wäre jede Kopie des Objektes ebenfalls um 1 in x-Richtung verschoben: Also Objekt 1: x=0, Objekt 2: x=1, Objekt 3 x=2, usw.
In diesem Fall ändert sich nur die Drehung um eine Achse und zwar so, dass der Mittelpunkt der Drehung das Mittelpunkt-Empty ist.
Im Bild kann man ganz gut erkennen, was dadurch erreicht wird – es ist quasi eine unsichtbare Schnur vom Objekt zum Mittelpunkt gespannt, die das Objekt bei der Drehung des Mittelpunkt-Emptys entlang der äußeren Kreisbahn mitzieht.
Den notwendigen Drehwinkel kann man berechnen, indem man 360° durch die Anzahl gewünschter Objekte teilt.
Die Vervielfältigung nach „hinten“ um aus dem Kreis eine Röhre zu bekommen wurde über ein zweiten Array-Modifier nach dem für den Kreis erzeugt (im oberen Bild ist die Anzeige der erzeugten Objekte ausgeschaltet), der einfach nur einen konstanten Versatz der kopierten Objekte entlang einer Achse erzeugt.

Als Material wird hier ein Emission (Leucht) Shader mit roter Grundfarbe benutzt, der zusätzlich auch mit dem Volumen-Eingang der Material Ausgabe verbunden ist. Das bedeutet, dass nicht nur die Oberfläche des Objektes Licht Abstrahlt sondern auch innere „Luft gefüllte“ Raum des Objektes.

Zwischenstand bis zu diesem Punkt der Bearbeitungen

Die Wolke und der Glitter

Für die Wolke und den Glitter wurden in Blender integrierte Simulaltions-Berechnungen verwendet.
Die Wolke wurde über die Smoke-Simulation erzeugt.
Der Glitter wurde über das Particle System erzeugt, wobei Scheiben als Objekte für die Glitter-Partikel genutzt wurden, die von einer einfachen Plane emittiert wurden.
Da die Einstellungen für diese Simulationen etwas komplexer sind, gehe ich hier nicht weiter darauf ein. Wenn es interessiert, darf mir gerne eine Nachricht schicken.

Kamera und Licht-Setup

Wie bei der klassischen Fotografie auch, spielen Beleuchtung und Kamaraposition, Blickwinkel, Brennweite des Objektives, etc. eine entscheidende Rolle für das Endresultat. Der Vorteil einer Software wie Blender besteht darin, soviele Lampen setzen zu können, wie man möchte und jede dieser Lampen mit einem Mausklick in Lichtfarbe und Stärke ändern zu können. Und sogar die Art der Lichtquelle also Softlight oder Spotlight etc. lässt sich jederzeit für jede Lampe ändern.
In diesem Bild wurde mir 4 Lichtquellen gearbeitet. Die leuchtenden Herzen als „Hintergrundlicht“, keine Ahnung wie das professionell richtig zugeordnet würde und eine mehr oder weniger klassische 3-Punkt-Beleuchtung für das Buch. 2 Area-Lights (Das Licht wird hier von einer Fläche aus abgestrahlt, was für weiche Schatten sorgt) beleuchten das Buch von vorne aus verschiedenen Höhen und sind links und rechts von der Kamera plaziert. Von Hinten beleuchtet ein Spot-Light (Wie man es aus dem Fernsehen bzw. Theater kennt – diese Lichtkegel meine ich) die Kanten des Buches, um es besser vom Hintergrund zu trennen.
Die Kamera ist im Herztunnel plaziert, auf dem Mittelpunkt des Kreises, und genau parallel zum Boden ausgerichtet. Die Brennweite ist auf 50 mm eingestellt.

Nachbearbeitung – Postprocessing

Um den Herzen ein realistischeres Leuchten zu verpassen und das Buch, um das es ja schlussendlich geht, besser hervorzuheben, wurde zusätzlich im Compositor von Blender einige Nachbearbeitungen am berechneten Bild vorgenommen.

Der realistischere Leuchteffekt für die Herzen wurde durch einen großen Weichzeichner und einen Glare (Blendungs) Effekt erreicht. Dafür wurde dem Herzmaterial ein eigener Index vergeben und mittels eines Indexpasses können diese dann vom Rest des Bildes getrennt bearbeitet werden. Anders gesagt, Blender erzeugt beim berechnen des Bildes einen extra Datensatz bzw. Maske, bei dem alle Bildteile die zu einem Herzen gehören weiß sind und alle anderen schwarz. Auf diese Maske wird nun ein Weichzeichner angewandt, der die Objekte unscharf macht und zudem diesen unscharfen Bereich um die Objekte herum ausweitet. Der Glare-Node arbeitet hier mit dem Nebel-Effekt, streut also das Licht diffus, so wie wenn eben Nebel um die Objekte herum wäre. Die beiden Effekte werden überlagert und mit Rot multipliziert, um sie der ursprünglichen Lichtfarbe anzupassen.

Beim Glitzer wurden nach dem gleichen Prinzip nur die Glitzerpartikel bearbeitet, wobei hier der Blur-Node als Eingang für den Glare-Node benutzt wurde. Dieser war hier auf den „Streaks“ als Modus eingestellt, wodurch diese Sternenstrahlen erzeugt werden.

Für das Buch wurden zwei getrennte Bearbeitungen durchgeführt. Zum einen wurde hier eine Farbkorrektur gemacht, da das Rot der Herzleuchten natürlich auch auf das Buch strahlt. Das habe ich wieder etwas rasugenommen, ganz klassisch über eine Farbkurven-Anpassung wie sie auch in Bildbearbeitungsprogrammen zur Verfügung steht und angewandt wird.
Die Auswahl nur des Buches erfolgte über die neue Cryptomatte Funktion von Blender – vor allem, weil ich sie mal ausprobieren wollte. xD
Diese funktioniert ähnlich wie die Objekt- bzw. Material-ID Passes, allerdings muss man nicht für jedes Objekt oder jedes Material selber eine ID vergeben, man muss nur den Cryptomattepass an sich an oder ausschalten. Die Auswahl erfolgt hinterher im Compositor.

Das Leuchten des Buches wurde über die Kombination 3 verschieden starker bzw. großer Weichzeichner erzeugt. Die Farbe des Leuchtens wurde wieder per Multiplikation mit dem gewünschten Farbton erzeugt, da die Maske ja schwarz/weiß ist. Schwarz mal Farbe bleibt Schwarz, weiß mal Farbe ergibt die Farbe.

Am Schluss mussten nur noch die einzelnen Bildkomponenten wieder so zusammengeführt werden, dass die Anordung von Vorder- und Hintergrund passt, bzw. das bsp. das Weichzeichen beim Buch tatsächlich nur auf das Glühen angewandt wird und nicht auf das Buch selber.
Zum Schluss zeige ich euch hier noch den kompletten Knoten-Baum für das Compositing.
Ist jetzt glaub stellenweise doch etwas verwirrend geworden, wie gesagt, einfach nachfragen an den Stellen, die euch interessieren und die noch nicht klar geworden sind, was wie warum gemacht wurde.

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